Verschärfungen nicht nur für Züchter

Seit dem 01.01.2022 gilt sie: die neue Fassung der Tierschutz-Hundeverordnung. Von Anfang an sorgte sie für Aufregung bei Züchtern, Ausstellern und Hundesportlern, aber auch rein private Halter sind betroffen – und verunsichert. Kenneth Knabe fasst einige wichtige Fakten zusammen.

Abb.1 | Neu in der TierSchHuV sind die Ausstellungen und sonstige Hundeveranstaltungen. Zulassung regelt das örtlich zuständige
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Keine Frage, die Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV), deren Basis weitgehend die Fassung von 2001 war, bedurfte einer Generalüberholung. Da sollten die Erkenntnisse von rund 20 Jahrenkynologischer Forschung, Erfahrungen aus dem Tierschutz und züchterischer Bemühungen einfließen.

Qualzuchten bei Hundeveranstaltungen

Eine radikale Neuerung in der TierSchHuV sorgt für viel Aufregung: Hunde, die Merkmale einer Qualzucht aufweisen, dürfen nicht ausgestellt werden und auch nicht an anderen Veranstaltungen wie Zuchtleistungsprüfungen, aber auch nicht an Hundesportevents teilnehmen. Dabei wird der „Qualzucht“- Begriff im Gesetzestext nicht genannt, sondern eher vage umschrieben (§ 10 Ausstellungsverbot).

Abb. 2 | Viele Möpse müssen bereits in jungen Jahren operiert werden, um Platz für das Gaumensegel im Rachenraum zu schaffen.
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Unsicherheiten vorprogrammiert

Dies hat zu erheblichen Unsicherheiten geführt. Nicht nur bei den Hundehaltern und Tierärzten, sondern auch bei den ausführenden Behörden wie den Veterinärämtern die keine Handlungsvorgaben haben. Die Folge: Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Was jeweils bei Ausstellungen oder Sportveranstaltungen gilt, dafür sind die örtlichen Veterinärämter zuständig (Abb. 1).

§ 10 Ausstellungsverbot

Es ist verboten, Hunde auszustellen oder Ausstellungen mit Hunden zu veranstalten, bei denen Körperteile, insbesondere Ohren oder Rute, tierschutzwidrig vollständig oder teilweise amputiert worden sind oder bei denen erblich bedingt,

a) Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten,
b) mit Leiden verbundene Verhaltensstörungen auftreten,
c) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder
d) die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.

Satz 1 gilt entsprechend für sonstige Veranstaltungen, bei denen Hunde verglichen, geprüft oder sonst beurteilt werden.

Gesundheitszeugnisse basieren nur auf klinischer Untersuchung

Ihr werdet erleben, dass Hundehalter nach Gesundheitsbescheinigungen, die erblich bedingte Erkrankungen ausschließen, fragen. Das ist selbst bei „unbedenklichen“ Rassen ein Wagnis, zumal Tierärzte Gesundheitszeugnisse ausstellen sollen, für die keine verbindlichen Richtlinien gelten. Die Fachgruppe Kleintierpraxis des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (bpt) e. V. (tieraerzteverband.de) hat dazu in Kooperation mit dem Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) e. V. ein Formular entworfen. Wichtig ist bei Euren Gesundheitszeugnissen, dass drinsteht, dass sie nur auf klinischen Untersuchungen basieren.

Was sind „bedenkliche“ Rassen?

Welche Rassen gelten nun üblicherweise als Qualzucht?

In der Regel sind dies:

  • brachyzephale Rassen (solche mit verkürzter Kopf- und Schnauzenpartie wie Möpse oder Französische Bulldoggen, Abb. 2)
  • Toy-Rassen (besonders kleine Hunde)
  • Rassen mit chondrodystrophischer Wachstumsretardierung (unverhältnismäßige Entwicklungsstörung, besonders Rassen mit verkürzten Beinen)
  • molossoide Rassen (besonders große und massige Rassen)

Darüber hinaus gelten Rassen mit …

  • übermäßiger Haut (z. B. Shar Pei),
  • unterentwickeltem Fell (Nackthunde, Abb. 3) und
  • bestimmten Fellfarben, z. B. dem Merle-Faktor (Abb. 4), der für ein beliebtes buntscheckiges Fell, aber auch für diverse Organfehler sorgt, als bedenklich.

Gut zu wissen

Aber, wenn Euch ein junges Tier vorgestellt wird, das Qualzuchtmerkmale aufweist, so heißt das nicht zwangsläufig, dass es illegal gezüchtet wurde.
Denn auch die neue TierSchHuV sieht keinen Zuchtstopp vor.

Schwerpunkt: Haltung von Zuchttieren

Die ausführlichsten Neuerungen schreiben in § 3 TierSchHuV etliche Verbesserungen für Hündinnen mit Welpen vor. Dies ist unabhängig davon, ob sie hobby- oder gewerbsmäßig gezüchtet werden.

Diese Neuerungen regeln vor allem:

  • die Größe der Wurfkiste, abhängig von der Größe der Hündin, denn sie muss sich neuerdings darin auch ausstrecken können
  • die Kontrolle der Lufttemperatur
  • Abstandshalter an den Seiteninnenwänden der Wurfkiste
  • Rückzugsmöglichkeiten für die Hündin

Besondere Verantwortung für Welpenaufzucht

Auch die Sozialisation der Welpen soll durch Auslauf im Freien „mindestens einmal täglich für eine angemessene Dauer“ ab einem Alter von 5 Wochen gewährleistet werden. Zudem müssen Züchter dafür sorgen, dass Welpen bis zu einem Alter von 20 Wochen 4 oder mehr Stunden am Tag Umgang mit einer Betreuungsperson haben.

Dabei wird für gewerbliche Hundezüchter ein Betreuungsschlüssel festgelegt: „Eine Betreuungsperson darf bis zu 3 Hündinnen mit Welpen gleichzeitig betreuen.“ Nun stellt sich die Frage für Eure Kunden, ab wann ein (Hobby-)Züchter als gewerblich tätig gilt. In der Regel nehmen Behörden bei 3 oder mehr Zuchthündinnen bzw. 3 oder mehr Würfen pro Jahr an, dass eine gewerbliche Zucht vorliegt. Dies ist unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht – die interessiert vor allem die Finanzämter.

Es gelten weitere neue Haltungsbedingungen

Neu ist die unbedingte „Gassi-Pflicht“. Sie besagt, dass Hunden „ausreichend Auslauf im Freien außerhalb eines Zwingers zu gewähren“ ist. Hierum ranken sich einige Mythen: zum Beispiel, dass zweimal täglich 1 Stunde gefordert werden. Das Gesetz spricht aber nur von „ausreichend Auslauf“, was je nach Rasse, Alter und Gesundheitszustand des Hundes variieren kann (Abb. 5). Dabei ist dem Hund Kontakt zu Artgenossen zu ermöglichen, sofern Gesundheit und Verträglichkeit dies erlauben. Auch mit dem Halter oder einer Betreuungsperson müssen Hunde mehrmals täglich „ausreichend“ Umgang haben.

Für Hunde, die wie Herdenschutzhunde überwiegend im Freien gehalten werden, gibt es Sonderregelungen. Da ist vor allem der Witterungsschutz wichtig.

Neu ist außerdem das absolute Verbot der Anbindehaltung. Auch für die Räume, in denen Hunde gehalten werden, gelten nun strengere Vorschriften: Dem Hund muss
der Blick ins Freie oder aus dem Raum hinaus möglich sein. In der Ausbildung und Haltung wird der Einsatz von Stachelhalsbändern und schmerzhaften Mitteln wie
Reizgeräten verboten.

Tipp:
Wendet sich ein Kunde an Euch, dem ein Verstoß gegen die TierSchHuV angelastet wird, ratet ihm, einen auf Heimtierrecht spezialisierten Anwalt zu kontaktieren.

Kurz und Knapp

Neu ist in der TierSchHuV das Ausstellungsverbot für Hunde aus Qualzucht. In der Verordnung werden aber keine Rassen namentlich aufgelistet. Teilnahmeverbote gelten auch für sonstige Hundeveranstaltungen. Neu ist u. a. auch die „Gassi-Pflicht“ sowie das Verbot der Anbindehaltung. Zudem schreibt die TierSchHuV bessere Haltungsbedingungen, besonders für Zuchthündinnen und Welpen vor. Dabei wird auf Kontakt zu Betreuern und Artgenossen geachtet. Manche Formulierungen wie z. B. „ausreichend“ erlauben Interpretationsspielraum.

Abb. 5 | Laut TierSchHuV ist Hunden täglich ausreichend Auslauf im Freien zu gewähren. Dabei sollen sie möglichst auch Kontakt zu Artgenossen haben.
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