Bergahorn

Bergahorn

Atypische Weidemyopathie

Wenn das eigene Pferd festliegend, schwankend oder mit steifem Gang und nass geschwitzt auf der Weide gefunden wird, ist für viele Pferdebesitzer klar: Das ist ein Notfall! Doch was kann dahinter stecken, und wie kann dem Pferd am besten geholfen werden?

Abb.1 | Bergahorn ist die am häufigsten zu findende Ahornart in Deutschland.
Bild von Hans auf Pixabay

Was ist die atypische Weidemyopathie?

Die atypische Weidemyopathie ist eine Muskelerkrankung, die besonders im Frühjahr und im Herbst bei Pferden mit Weidegang auftritt. Es können mehrere Pferde der Herde betroffen sein. 

Lange Zeit war die auslösende Ursache nicht klar, bis man das Hypoglycin-A (HGA) mit dem Krankheitsbild in Verbindung brachte. Dieses kommt in Europa vor allem in Ahornsamen und -setzlingen des Bergahorns (Acer pseudoplatanus, Abb. 1) vor. Besonders viel Hypoglycin-A sammelt sich nach kalten Nächten in den Samen an. Während die Samen besonders im Herbst für die Pferde zugänglich sind, kommen die Setzlinge im Frühjahr vor. Wenn im Herbst die Weide meist schon abgefressen ist, tendieren die Pferde eher dazu, die Samen aufzunehmen. Die atypische Weidemyopathie tritt deshalb saisonal bedingt verstärkt im Herbst und Frühjahr auf.

Was macht das Hypoglycin-A im Körper?

Hypoglycin-A ist eine Aminosäure, welche im Körper ein wichtiges Enzym in den Mitochondrien (Abb. 2) hemmt. In der Folge werden die Muskelzellen mit weniger Energie versorgt und sterben ab. Vor allem betroffen ist die Typ-1-Muskulatur (u.a. Halte-, Herz- und Atemmuskulatur.)

Welche Symptome zeigen diese Patienten?

Die Pferde zeigen: 

  • plötzliche Schweißausbrüche
  • Apathie
  • Steifheit
  • Schwäche
  • Muskelzittern
  • blasse Schleimhäute
  • forcierte Atmung 
  • einen erhöhten Puls (Abb. 3)

Abb.3 | Bestimmung der Pulsfrequenz an der Arteria facialis. © Nina Weltrich

Mit Voranschreiten der Krankheitsdauer kommen viele Pferde zum Festliegen. Dadurch kann es dann ähnlich wie bei einer Kolik aussehen. Besonders auffallend bei der atypischen Weidemyopathie ist jedoch, dass der Appetit meistens erhalten bleibt. 

Achtung: Die Letalität in den ersten 72 Stunden liegt bei > 90 %. Daher ist schnelles Erkennen und Handeln essenziell. Sonst kann es im schlimmsten Fall passieren, dass das Pferd morgens tot auf der Weide aufgefunden wird.

Gut zu wissen

Durch die zerstörten Muskelzellen wird viel Muskelfarbstoff (Myoglobin) frei. Dieser gelangt in den Urin und färbt diesen dunkelrot-bräunlich.

TIPP

Achtet bei der Auswahl der Reinigungsmittel und -verfahren unbedingt auf die Materialverträglichkeit, v.a. bei empfindlichen optischen Geräten.

Therapie: nur unterstützend!

Leider gibt es kein Gegengift, das heißt man kann nur symptomatisch therapieren.

Dazu gehört:

  • wenig Stress und Bewegung (ggf. mit dem Transporter in den Stall bringen)
  • warm eindecken
  • Infusionen
  • Entzündungshemmer und Vitamin E

TIPP

Achtet bei der Auswahl der Reinigungsmittel und -verfahren unbedingt auf die Materialverträglichkeit, v.a. bei empfindlichen optischen Geräten.

Vorbeugen ist der beste Schutz

Prophylaktisch sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:

  • Weidegang im Herbst und im Frühjahr < 6 Stunden, besonders nach den ersten Nachtfrösten, v.a. Jungtiere
  • Pferde in der kritischen Saison gut mit Heu und Mineralfutter zufüttern
  • trockenen Unterstand zur Verfügung stellen, damit die Pferde sich eher dort aufhalten als auf der Weide
  • Weiden mit Ahornbäumen dringend meiden!

Kurz und knapp

Bei der atypischen Weidemyopathie handelt es sich um eine schwerwiegende und häufig tödliche Erkrankung. Daher ist es super, wenn Ihr Besitzer über die richtigen vorbeugenden Maßnahmen aufklären könnt, um die Erkrankung möglichst zu vermeiden. Sollte ein Pferd doch leider erkranken, ist es entscheidend wichtig, dies schnell richtig zu erkennen, um es zügig behandeln zu können.


Nina Weltrich
Fachtierärztin für Innere Medizin der Pferde
Pferdeklinik Burg Müggenhausen GmbH

Die eigene Widerstandskraft stärken

Die eigene Widerstandskraft stärken

Interview mit Lisa Leiner

Die Widerstandskraft, die einem die Fähigkeit verleiht, Stress als positiv zu empfinden, nennt man Resilienz. Der Managementtrainer Boris Grundl sagte einmal: „Wenn Sie wirklich Resilienz anstreben, müssen Sie das Umfallen in Kauf nehmen, um wieder aufstehen zu können.“ Einfach gesagt, aber wie lässt es sich umsetzen? Jennifer Nehls in einem Interview mit Lisa Leiner, der Fachbuchautorin von „Stress- und Zeitmanagement für Tierärzte“.

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Jennifer Nehls: Resilienz ermöglicht es einem, mit dem Alltagsstress in der Praxis besser umzugehen und Krisen im Leben besser zu bewältigen. Denn wer eine hohe Resilienz hat, kann mit eigenen Niederlagen, aber auch mit Krankheiten besser umgehen. Reiner Optimismus? Oder welche Persönlichkeitsmerkmale oder Faktoren tragen noch zu einer hohen Resilienz bei?

Lisa Leiner: Bei der Resilienz geht es um gewisse Fähigkeiten, die man sich durchaus aneignen kann. Manchen Menschen fällt das leichter, andere müssen länger „üben“, um eine gewisse Resilienz zu erreichen. Eine hohe Resilienz bedeutet auch nicht, dass man gegen jede Herausforderung, jeden Stressreiz oder jeden Konflikt so gewappnet ist, dass Einem nichts mehr nahe geht. Den Vergleich mit dem Umfallen und Aufstehen finde ich sehr gut, denn die Resilienz hilft uns schneller wieder aufzustehen, wenn wir umgefallen sind. Oder aber bewahrt uns davor, aber eben nicht in allen Situationen. Zu den Fähigkeiten, die resilient machen, zählen Optimismus, Zielorientierung, Selbstwirksamkeit, Emotionssteuerung, Impulskontrolle, Kausalanalyse und Empathie.

Wer optimistisch ist, redet sich nichts schön oder trägt dauerhaft eine rosa-rote Brille, sondern versucht, auch negativen oder herausfordernden Situationen einen positiven Anteil abzugewinnen. Jeder Fehlschlag hilft mir, es beim nächsten Mal besser zu machen. Jedes Betrachten von kleinen Schritten „in die richtige Richtung“, hilft mir, hartnäckig bei einer Sache zu bleiben. Jeder wohlwollende Blick auf einen Konflikt, hilft mir, ruhig und reflektiert zu agieren. Kennen Sie diese Menschen, die überall etwas auszusetzen haben? Die immer ein Haar in der Suppe finden? Mit solchen Menschen verbringt man nicht gerne Zeit. Und genau solchen Menschen fehlt die notwendige Prise Optimismus.


Bei der Zielorientierung beschäftigt man sich mit den eigenen Visionen. Denn wenn man weiß, was man erreichen möchte, lässt man sich nicht so schnell aus der Bahn werfen. Eine extrem wichtige Fähigkeit ist, selbstwirksam agieren zu können. Man nimmt sein Schicksal hiermit selbst in die Hand. Man hat festgestellt, dass Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeit glücklicher sind als Menschen, deren eigene Wirksamkeit eingeschränkt oder gar abhanden gekommen ist. Hierbei glaubt man an sich selbst: „Ich schaff das!“ Die Emotionssteuerung erlaubt uns weiter, uns unseren eigenen Emotionen bewusst zu sein und diese auch bewusst zu kontrollieren. Mit der Steuerung unserer Emotionen können wir negative Situationen besser durchstehen, da wir verstehen, was sie mit uns machen und entsprechend regulierend darauf eingehen können. Ähnlich ist hier die Impulskontrolle, die uns dabei hilft, uns trotz aller Widrigkeiten auf eine Aufgabe zu konzentrieren und diese durchzuführen. Auch wenn diese unangenehm oder nervig ist. Die Kausalanalyse ermöglicht uns, konkret zu hinterfragen. Dabei kommen nicht nur die bekannten W-Fragen zum Einsatz, sondern auch Zusammenhänge wie „Je – desto“ oder „Wenn – dann“. Und zu guter Letzt sollte man noch die Fähigkeit zur Empathie haben, denn wir leben in einem Miteinander. Andere Menschen daher besser einschätzen zu können, trägt viel dazu bei, dass man angemessen auf Situationen reagieren kann.

Jennifer Nehls: Stress als Quelle neuer Kraft wahrzunehmen ist nicht immer einfach. Wie kann man diese Fähigkeiten trainieren, damit dies gelingt?

Lisa Leiner: Zuallererst muss man einen Status quo erheben. Denn wer schon bei dem kleinsten Stressreiz explodiert, wird es natürlich schwer haben, die Fähigkeiten der Resilienz zu trainieren. Auch kann man nicht alles auf einmal erlernen, sondern sollte mit den Dingen starten, die einem leicht fallen. Ein dritter Tipp ist: Keiner ändert sich über Nacht! Daher nicht so viel von sich selbst erwarten, sondern sich zugestehen, dass man Übungszeit benötigt. Solange man dranbleibt und nicht aufgibt, wird man auch Erfolge erzielen. Langjährige Verhaltensweisen und Gefühle sind wie große Schiffstanker. Diese benötigen auch eine Zeit, bevor man sie gewendet hat, um einen neuen Kurs einzuschlagen. Somit wäre der erste Schritt zu beurteilen, wo ich aktuell stehe, was ich schon gut kann und was mir noch schwerfällt.

Jennifer Nehls: Birgt Selbstwirksamkeitsüberzeugung nicht auch die Gefahr von Selbstüberschätzung oder Perfektionismus?

Lisa Leiner: Jein. Es ist mit diesen Fähigkeiten wie mit allem: Es zählt die goldene Mitte und nicht die Extreme. Ein „Ich schaff das!“ kann natürlich mit einer Selbstüberschätzung einhergehen. Dann kennt man seine eigenen Fähigkeiten und Grenzen noch nicht gut genug. Dann wird man wohl fallen und aus seiner Selbstüberschätzung lernen müssen, bestenfalls mithilfe der Kausalanalyse und dem Optimismus. 

Der Perfektionismus kommt eher aus dem Glaubenssatz: „Ich muss das können!“ Er beinhaltet daher nicht die eigene Überzeugung etwas zu können, sondern spiegelt den Druck wider, einer Gesellschaft, einer Person oder wem auch immer genügen zu „müssen“. Im Gegensatz zur Selbstwirksamkeit, die man sein Leben lang lernt, entstehen Glaubenssätze eher in der Kindheit oder der Jungend, sind sehr unbeweglich und daher auch schwer zu lösen. 

Jennifer Nehls: Was aber tun, wenn der Stress doch überhandnimmt und mehr Kraft fordert als spendet? Wenn er uns schadet und krank macht? 

Lisa Leiner: Hierin liegt ein großes Problem. Denn viele erkennen nicht – oder möchten nicht erkennen – dass dauernder Stress schadet. Arbeitsam und fleißig zu sein, dabei stets zu lächeln und gut drauf zu sein, ist eine Tugend. Wer dagegen auf Freizeit und Erholung achtet, wer sich über zu viel Arbeit beschwert oder krank ist, steht auf der Abschussliste. Das ist somit ein heikles Thema. Wann ist genau der Punkt, an dem ich stoppe, bevor ich ernsthaft krank werde? Wenn uns Stress schon bewusst schadet und wir gravierende Symptome an uns wahrnehmen, wie Gereiztheit, Emotionalität, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Heißhunger, massive Erschöpfung oder auch mangelnde Konzentrationsfähigkeit, dann hilft eigentlich nur noch der Weg raus. Das ist kein schöner Weg, und er sollte psychologisch begleitet werden. Zudem kann die Genesungszeit sehr lange dauern und ob dann eine Rückkehr in den Job möglich ist, steht auf einem anderen Blatt.

Besser für alle Beteiligten wäre es, dieser Schritt ließe sich vermeiden. Dazu müsste man mutig darüber sprechen – auch mit dem Arbeitgeber. Leistungsfähigkeit ist ein wertvolles Gut, und Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Werden Mitarbeitende überfordert, schaffen sie ihre Aufgaben nicht mehr oder können die Herausforderungen nicht mehr bewältigen. So etwas sollte ernst genommen und gemeinsame Lösungen gefunden werden. Dabei spielt vor allem auch das Delegieren innerhalb eines Teams eine Rolle: Welche Aufgaben könnten übertragen werden? Welche Entlastungen wären zusätzlich umsetzbar? Ließe sich etwas an der Arbeitszeit anpassen? Ein Coach kann hier eine super Hilfestellung leisten, denn solche Gespräche sollten gut vorbereitet sein.

Man sollte aber nicht allein auf seine Umgebung vertrauen und anderen Entscheidungen überlassen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich, jeder ist selbst wirksam. Daher sollte man auch für sich analysieren: Was bereitet mir besonders viel Stress? Was muss ich wirklich machen, und was mache ich sonst noch, was vielleicht nicht so dringend wäre? Kann ich Aufgaben in meinem privaten Umfeld delegieren, mir Hilfe holen oder sonst Abhilfe schaffen? Welche Hebel hätte ich, große Stressfaktoren zu minimieren? Was brauche ich dafür? 

Vor allem der private Bereich sollte ein Raum für Erholung sein. Wenn ich gestresst von der Arbeit komme und zu Hause erwartet mich weiterer Stress, wie soll ich dann Zeit für eine Regeneration finden?! Und am Ende gehören noch Themen dazu wie gesundes Essen, kein Alkohol, keine Zigaretten und viel Schlaf. 

Jennifer Nehls: Wie immer gilt: Es ist keine Schande, sich Hilfe zu suchen. Manchmal zeugt dies auch von innerer Größe. Liebe Frau Leiner, vielen Dank für die wertvollen Tipps.


Von der Voruntersuchung bis zum OP-Tisch

Von der Voruntersuchung bis zum OP-Tisch

OP-Vorbereitung

Die Wichtigkeit von uns Tiermedizinischen Fachangestellten als Teampartner in der OP-Assistenz und bei der Patientenversorgung zeigt sich schon in der Vorbereitung der OP-Planung. Unsere kleinen und großen Patienten wollen wir optimal versorgen. Für den reibungslosen Ablauf der Assistenz vor, während und natürlich auch nach einer Operation sind wir als TFA nicht mehr wegzudenken.

Abb.1 | Utensilien für den Venenzugang. © Janine Nielsen

Bei der Voruntersuchung sind wir beruhigend an der Seite unseres Patienten und dessen besorgten Besitzers. Wir nehmen Anamnesen auf, unterstützen die Behandlungen und führen die wichtigen Laboruntersuchungen für eine anstehende Operation durch. Wir übernehmen nicht nur den Erstkontakt am Telefon, die Aufnahme und Behandlung in der Praxis, sondern auch den begleitenden, überwachenden und während der Operation auch wichtigen Part der OP-Assistenz. 

Gut zu wissen

Auch der neue Delegationsrahmenplan für TFA, erstellt vom Verband medizinischer Fachberufe e.V. in Zusammenarbeit mit dem BPT, unterstützt uns bei der selbstständigen Ausführung dieser Tätigkeiten. Ihr findet ihn unter: https://www.vmf-online.de/2023-01-31-delegation-tfa

„Bitte nüchtern lassen“ 

Was bedeutet es eigentlich, nüchtern zur OP? Wir wissen zu gut, dass die Aussage „bitte nüchtern lassen“ gerne auf vielerlei Seiten interpretiert wird. 

Tipp: Um zu vermeiden, dass es zu Missverständnissen bei dieser Frage kommt, erstelle ich gerne einen kleinen Fütterungsplan mit genauen Angaben. Wann, und nach Rücksprache mit dem Besitzer, auch womit gerne gefüttert werden darf.

Nüchtern bedeutet für die meisten meiner Patienten, dass sie 8 Stunden nichts gefressen haben und 2 Stunden vor der Operation kein Wasser mehr zur Verfügung gestellt bekommen. Dies ist wichtig, um die Gefahr der Aspiration von Futter oder Wasser im Falle der medikamenteninduzierten Übelkeit mit Erbrechen zu vermeiden. 

Achtung: Welpen dürfen nicht hungern und sollen bis zu 2 Stunden vor der Operation gerne mit kleinen Futtermengen versorgt werden.

Teampartner sein bedeutet viel Verantwortung

Der Patient soll nicht lange warten müssen, um die Aufregung möglichst gering zu halten. Der OP muss sorgfältig und unter Einhaltung der entwickelten Standards für den Patienten vorbereitet, Infusionen eingestellt und Beatmungsgeräte betriebsbereit gemacht werden. 

Tipp: Es gibt mittlerweile viele Fortbildungsmöglichkeiten, um die Eigenverantwortung und das Verständnis für die Anästhesie und die OP-Assistenz zu vertiefen.

In Praxen, in denen wir als Teampartner eigenverantwortlich arbeiten dürfen, können wir das Aufklärungsgespräch vor der Annahme des Patienten und Einleitung der Narkose selbst durchführen. Die Vorbesprechung für die Narkose findet in kleiner Teamrunde statt, um den Operationsverlauf, das Narkoserisiko und die notwendigen Medikamente festzulegen. Jeder Patient muss vor Einleitung einer Narkose oder Sedation noch einmal allgemein untersucht und die Narkosefähigkeit und das Narkoserisiko anhand des vorher besprochenen Anästhesieprotokolls bestätigt werden. Nach Anweisung des Tierarztes werden die Narkose und Schmerzmitteldosierungen auf den Patienten angepasst, im Narkoseprotokoll festgehalten und von der TFA vorbereitet. 

Nur mit venösem Zugang können Medikamente und Infusionen gezielt dosiert werden

Wir setzen die Braunüle (Abb. 1) gerne in die Vena cephalica, die Vena saphena kann alternativ bei Hundepatienten gewählt werden. Es ist oft hilfreich und für Hundepatienten beruhigend, wenn der Besitzer sich in Sichtweite stellt und dem Patienten beruhigend zur Seite steht. Dies kann auch zur Einleitung der Sedation oder auch Allgemeinnarkose sinnvoll sein. 

Der Stauschlauch wird über dem nächstgelegenen Gelenk angebracht, die Vene frei geschoren. Zur Hautdesinfektion wird ein alkoholhaltiges Hautdesinfektionsmittel verwendet. Die Flügelchen der Braunüle biegen wir leicht zurecht, lösen den Mandrin und platzieren den Venenzugang.

Eine Rückstromsperre (Abb. 2) wird auf den Konus geschraubt, um Medikamente und Infusionen ohne Blutrückfluss applizieren zu können. Die kleine Abdeckkappe der Braunüle (Abb. 3) wird beim Transport des Patienten und zum Schutz vor Verkeimung immer auf die Rückstromsperre angebracht. Fixiert wird die Braunüle mit 3 Leukopor- oder Leukosilk-Streifen. 

Tipp: Ein Spülen des Venenzugangs mit NaCl kontrolliert den korrekten Sitz.

Der Patient kann nun gezielt intravenös narkotisiert und notwendige Analgetika appliziert werden.

Intubation sichert die Atmung

Da viele Narkotika Atemdepressionen auslösen können, liegen zur Intubation alle notwendigen Utensilien (Abb. 4) in direkter Griffbereitschaft. Der zu intubierende Patient wird in Brust-Bauchlage verbracht. Die Assistenz öffnet das Maul und zieht die Zunge vor, um den Kehlkopf darzustellen. Mit einer Intubationshilfe kann der Tubus in die Trachea eingebracht werden. Der Cuff wird geblockt, um das Verrutschen des Tubus zu verhindern und die Trachea abzuschließen. Zur Versorgung mit Sauerstoff und gegebenenfalls Inhalationsanästhetikum wie Isofluran wird der Patient an das Inhalationsnarkosegerät angeschlossen und durchgehend mit Hilfe des Pulsoxymeters überwacht. 

Abb.4 | Utensilien für die Intubation. © Janine Nielsen

Den Patienten wärmen und eine Hyperthermie vermeiden

Die OP- Fläche wird nun sorgfältig frei geschoren. Die Haare werden entfernt und der Patient auf die OP-Auflage gelagert. 

Tipp: Um eine Hyperthermie zu verhindern (Abb. 5), sollte die OP-Auflage mit einer Wärmequelle vorgewärmt sein und die Körperinnentemperatur durchgehend kontrolliert werden. 

Die Haut wird nun mit Prontocare gereinigt. Für eine aseptische Hautdesinfektion müssen Einwirkzeiten eingehalten werden und die Haut von Fett und Schmutzablagerungen befreit sein.

Das EKG mit 3 Punktableitung (Abb. 6), die durchgehende Blutdruckmessung und die Kapnometrie gehören ebenfalls zu einem guten Standard. Im Narkoseprotokoll werden alle Vitalwerte und gegebenenfalls Veränderungen in der Medikation vermerkt. Das sterile Abdecken mit Einmaltüchern übernimmt die TFA der OP-Assistenz. Der Instrumententisch wird eingedeckt und der Chirurg für seinen Einsatz steril angezogen. 

Kurz und knapp

Bei der Versorgung unserer Patienten müssen wir in der Zusammenarbeit unsere Stärken einbringen und aufeinander eingespielt sein. Eine gute Vorbereitung, Standards und gezielte Handgriffe reduzieren Stress und schaffen Vertrauen. Fortbildungen geben uns die Möglichkeit, Fachwissen zu erlangen und mit Chirurgen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Ein starkes Team ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung der Patienten.

Osterhase, Achtung toxisch!

Osterhase, Achtung toxisch!

Zu Ostern darf der Schokoladenosterhase nicht fehlen. Doch was für uns Menschen lecker und weitestgehend risikolos ist, kann für unsere Haustiere eine tödliche Gefahr darstellen. Am häufigsten werden Hunde mit einer solchen Vergiftungsanamnese in der Kleintierpraxis vorgestellt. Anna Frommeyer fasst die wichtigsten Fakten der Schokoladenvergiftung beim Hund für Euch zusammen.

Warum ist Schokolade für mein Haustier giftig?

Hauptverantwortlich für die toxische Wirkung der Schokolade ist das in der Kakaobohne (Abb. 1) enthaltene Theobromin. Darüber hinaus enthält die Kakaobohne auch geringe Mengen an Koffein. Theobromin sowie Koffein sind sogenannte Methylxanthine, eine Substanzklasse der Alkaloide. Diese rufen nach Resorption über den Magen-Darm-Trakt zentrale analeptische (erregende) und periphere Wirkungen hervor. 

Abb. 1 | Bis zu 100.000 Blüten wachsen jährlich direkt am Stamm des Kakaobaums. Daraus entwickeln sich in guten Jahren maximal 50 Kakaofrüchte, die die Kakaobohnen enthalten.
© Bild von Maliflac auf Pixabay

Welches sind die typischen Symptome?

Folgende kardiovaskuläre, respiratorische, neurologische und gastrointestinale Symptome gehören zu den klinischen Anzeichen einer Schokoladenvergiftung:

  • Unruhe 
  • Ataxie/Zittern/Krampfanfälle
  • Tachypnoe/Dyspnoe/Atemstillstand
  • Tachykardie/Herzarrhythmien/Herzstillstand
  • Hypersalivation/Erbrechen
  • Durchfall
  • Polydipsie/Polyurie
  • Abdominalschmerzen

Erste Vergiftungserscheinungen können bereits 1–4 Stunden nach der Schokoladenaufnahme auftreten. 

Je höher der Kakaoanteil, desto giftiger

Theobromin macht etwa einen Anteil von 1,5–3 % und Koffein einen Anteil von etwa 0,2 % der Kakaobohne aus. Daher gilt: Je höher der Kakaoanteil, desto höher die Methylxanthinkonzentration und dementsprechend giftiger ist die Schokolade für unsere Lieblinge.

Die Schwere der Symptome ist abhängig von der aufgenommenen Menge der Methylxanthine (Abb. 2). Leichte Vergiftungserscheinungen treten bereits bei einer aufgenommenen Menge von 20 mg/kg Körpergewicht auf. Mit kardiovaskulären Symptomen muss ab einer Menge von 40 mg/kg Körpergewicht gerechnet werden. Bei noch höheren Dosen ab etwa 60 mg/kg Körpergewicht sind Krampfanfälle und/oder Tremor zu erwarten.

Gut zu wissen

Die letale Dosis 50 (LD50) für eine orale Aufnahme wird je nach Literatur mit 100–500 mg/kg Körpergewicht angegeben. Der LD50-Wert gibt die Menge eines Stoffes an,
welche nach einmaliger Aufnahme zum Tod der Hälfte der Patienten führt. Je niedriger der LD50-Wert, desto giftiger ist also der Stoff.

Tipp: Im Notfall kann als Richtwert zur schnellen Einschätzung der aufgenommenen Menge des Theobromins Tabelle 1 herangezogen werden.

SchokoladensorteTheobrominkonzentration
Kakaopulver14–29 mg/g
Bitterschokolade (70 %)5,5–12,7 mg/g
Zartbitterschokolade (55 %)5–8,5 mg/g
Milchschokolade (25–30 %)0,5–2,3 mg/g
weiße Schokolade0 mg/g

Tab. 1: Theobrominkonzentration verschiedener Schokoladensorten (modifiziert nach CliniPharm CliniTox, 2022: Methylxanthine – Kleintier, https://www.vetpharm.uzh.ch/clinitox/toxdb/klt_063.htm, vom 28.01.2023).

Fallbeispiel

Ein 10 kg schwerer Hund hat einen 100 g Vollmilch-Osterhasen gefressen. Die aufgenommene Theobrominmenge liegt bei ca. 23 mg/kg Körpergewicht. Es sind leichte Vergiftungserscheinungen zu erwarten.

Mein Tier hat Schokolade gefressen – was nun?

Bei der Aufnahme von toxischen Mengen oder bei einer nicht sicher einschätzbaren Menge sollte in jedem Fall ein Tierarzt aufgesucht werden. Liegt die Schokoladenaufnahme erst kurzzeitig zurück und sind noch keine Vergiftungserscheinungen aufgetreten, steht die Elimination des Giftes durch induzierte Emesis (Erbrechen) mittels Apomorphin oder einer Magenspülung an erster Stelle. 

Tipp: Das induzierte Erbrechen kann ebenso sinnvoll sein, wenn der Besitzer am Telefon berichtet, dass sein Hund Verpackungsmaterialen mitgefressen hat.

Zur anschließenden enteralen Resorptionsminimierung und schnelleren Ausscheidung potenziell verbliebener Restmengen an Schokolade können Aktivkohle (Adsorbanz) und zusätzlich Lactulose (Abführmittel) verabreicht werden. Die Therapie sollte aufgrund der wiederholten Zirkulation der Methylxanthine zwischen Darm und Leber (der sog. enterohepatischen Zirkulation) über 72 Stunden durchgeführt werden. 

Was tun, wenn bereits Symptome auftreten?

Bei länger zurückliegender Schokoladenaufnahme oder bei Auftreten von klinischen Symptomen sollte eine stabilisierende, symptomatische Behandlung durchgeführt werden. Ein spezifisches Antidot (Gegengift) existiert nicht. Auch in diesem Fall stellt – sicheres Schlucken vorausgesetzt – die Dekontamination und Resorptionsminimierung der Methylxanthine einen wichtigen Punkt dar. 

Gut zu wissen

In keinem Fall darf bei Anzeichen einer ZNS-Stimulierung, wie Bewusstseinsstörung, Erregung oder Krampfgeschehen, aufgrund einer hohen Aspirationsgefahr Erbrechen induziert werden. Dabei könnte Mageninhalt in die Atemwege gelangen.

Die weitere symptomatische Therapie richtet sich nach den klinischen Befunden. Eine Flüssigkeitsdiurese mittels Infusionstherapie und ggf. einer Entwässerung mittels Furosemid kann die Giftausscheidung über die Nieren fördern. 

Tipp: Achte auf eine regelmäßige Blasenentleerung des Hundes, da die in den Urin ausgeschiedenen Methylxanthine über die Blasenwand erneut resorbiert werden können. 

Kardiovaskuläre Symptome werden ebenfalls mit entsprechenden Medikamenten symptomatisch therapiert. Bei Erregung oder Krampfanfällen sollte das Tier sediert und/oder mit antikonvulsiven Medikamenten wie Diazepam oder Phenobarbital behandelt werden. Antiemetika (z.B. Maropitant oder Metoclopramid) und Magenschutzpräparate (z.B. Omeprazol und Sucralfat) können bei gastrointestinalen Symptomen verwendet werden. 

Wie ist die Prognose?

Die Prognose ist abhängig von der aufgenommenen Menge der Methylxanthine pro Kilogramm Körpergewicht und von der Zeitspanne zwischen Schokoladenaufnahme und Vorstellungszeitpunkt bei einem Tierarzt. Generell ist bei rechtzeitiger Vorstellung des Patienten bei einem Tierarzt die Prognose als gut zu bewerten. Andernfalls kann es bei Aufnahme von großen Mengen Schokolade und einer nicht rechtzeitig eingeleiteten Therapie zum Tod des Patienten kommen.  

Praxistipp

Sollte Dir der Besitzer am Telefon von einer Schokoladenaufnahme/-vergiftung berichten, ist folgendes Vorgehen empfehlenswert:

• Frage den Besitzer nach …
• der Art (Kakaogehalt) und Menge der Schokolade,
• dem Zeitpunkt der Aufnahme und
• nach bereits aufgetretenen Symptomen.
• Bestelle das Tier im Zweifel umgehend in die Praxis ein.
• Wiege den Patienten sofort nach dem Eintreffen in der Praxis. Dies erleichtert dem behandelnden Tierarzt die Therapieplanung und beschleunigt den Therapiestart.
• Informiere den Tierarzt, dass der Notfall eingetroffen ist.

Kurz und knapp

Die Schokoladenaufnahme/-vergiftung ist eine häufige in der Kleintierpraxis vorkommende Erkrankung. Je nach Schokoladensorte und -menge können unterschiedliche neurologische, gastrointestinale, respiratorische oder kardiovaskuläre Symptome auftreten. Ein Gegengift existiert nicht, sodass die Therapie neben der Dekontamination rein symptomatisch erfolgt. Die Prognose ist bei rechtzeitiger Vorstellung des Tieres in einer Tierarztpraxis gut; bei unzureichender Therapie muss mit dem Tod des Patienten gerechnet werden.